Ansichten
Mythen und Bilder
Die Arbore nennen sich selbst auch Hoor. Hoor ist das Schwemmland, das sie bestellen. Ob Arbore oder Hoor – ihnen gehört das Land, das sie ernährt und auf das sie achtgeben.
BESTEHEN
Auf dem Scheideweg
Die Arbore leben in der Senke des Ostafrikanischen Grabenbruchs. Der östliche Korridor zieht sich vom Roten Meer durch ganz Äthiopien bis nach Mosambik. Sobald ich die gut 3.000 m hohe Flanke überquert habe, spüre ich die Hitze der Senke wie einen Faustschlag. Gleichzeitig eröffnet sich eine sagenhafte Landschaft – eine endlose Savanne, meist dunstverhangen, durch die sich der Fluss Woito schlängelt. Hier leben die Arbore.
In ihren Mythen leiten die Arbore ihre Abstammung von einigen ihrer Nachbarn ab, wie den Borana oder Marle. Das war vor ewigen Zeiten, ur dehee. Ihre Kultur ist zwar alt, aber beileibe nicht statisch. Heute befinden sich die Arbore in einer Phase des Umbruchs. Sie stehen auf dem Scheideweg, zwischen Einverleibung und Verlust oder der Bewahrung ihrer Kultur. Ihr Blick zur Moderne, insbesondere der der Männer, ist sehnsüchtig. Möglicherweise wird es den Arbore gelingen, Tradition und Moderne miteinander zu verbinden.
Religion
(K)ein Irrglaube
Die Arbore leben in 4 Dörfern diesseits und jenseits des Flusses Woito. Ungefähr 2 km von ihrem Hauptdorf Gandarab entfernt befindet sich Tabia, ein kleiner Marktflecken, der jedes Jahr mehr Menschen verschiedener Ethnien mit ebenso unterschiedlichen Glaubensvorstellungen anzieht. Sie bauen sich Hütten, kleine Kneipen entstehen, ebenso wie Kirchen – für jede christliche Konfession eine eigene.
Die neuen Nachbarn laden die Arbore ein, ihren Gott kennenzulernen. Kutcha war einer der wenigen, die solch einer Einladung folgten. Die Christen konnten ihn nicht überzeugen, denn er glaubte ihnen und ihren Bildern nicht. „Woher will ein Mensch wissen, wie Gott aussieht?“
Ebensowenig überzeugen die europäischen Missionare, die in regelmäßigen Abständen auftauchen, um den Arbore das Wort Gottes ans Herz zu legen. Diese alten weißen Männer leben nach wie vor in dem Irrglauben, dass ihr fremder Gott für jeden unweigerlich der bessere sein müsse. Es scheint, als wäre die Zeit bei ihnen seit dem Ende des Kolonialismus stehengeblieben.
Selbstbild
Wir sind, weil wir anders sind
Bei der Beschreibung der Lebensgewohnheiten der Arbore wird in erster Linie deutlich, was diese Gruppe von anderen trennt. Darauf beruht ihr Selbstverständnis. „Wir sind Arbore, weil uns vieles von unseren Nachbarn unterscheidet – unsere Tänze, unsere Sprache und unser Wirtschaften.“ Diese Selbstdefinition hat sie über Jahrhunderte als Gruppe überleben lassen. Grundlage ist ihre Fähigkeit, sich den extremen Umweltbedingungen anzupassen. Es ist ihre Etablierung als Sorghumspezialisten, ihre Anpassung an die Regen- und Trockenzeiten, ihr Umgang mit Wasser, ihr Feind- und Freundbild, ihre Sozialstruktur und Moralvorstellungen sowie ihre harte Trennung von anderen Gruppen mittels spezieller Symbole wie Blut, Rechts-Links-Dominanz oder ehemals die Beschneidung.
4 Seiten
Alltag und Rituale